
Budapest, 2. März 2025 – Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat erneut die Europäische Union aufgefordert, direkte Verhandlungen mit Russland aufzunehmen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. In einem Schreiben an den Präsidenten des Europäischen Rates, Antonio Costa, datiert auf den 1. März 2025, unterstreicht Orbán die Dringlichkeit von Friedensgesprächen und positioniert Ungarn als konsequenten Fürsprecher eines Waffenstillstands innerhalb der EU. Der Brief, der von Balázs Orbán, dem politischen Direktor des Ministerpräsidenten, am 25. Oktober 2024 auf X veröffentlicht wurde, sorgt in Brüssel erneut für Diskussionen über die ungarische Außenpolitik.
Ungarns Forderung: Direkte Gespräche mit Russland
In seinem Schreiben betont Viktor Orbán, dass Ungarn „das einzige Land in der EU“ sei, das „konsequent für Frieden eingetreten“ ist. Er verweist auf die jüngsten Entwicklungen, insbesondere auf die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump am 12. Februar 2025, nach einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin unverzüglich Verhandlungen zur Beendigung des Konflikts zu starten. Orbán sieht darin eine Chance, die Europa nicht verpassen sollte. „Die EU muss ihre Strategie ändern und aktiv an Friedenslösungen mitwirken, anstatt nur auf die Ergebnisse bilateraler Gespräche zwischen den USA und Russland zu warten“, heißt es sinngemäß in dem Brief.
Seit Beginn des Krieges im Februar 2022 kritisiert Ungarn die EU-Sanktionen gegen Russland und betont wiederholt, dass diese die europäische Wirtschaft – einschließlich der ungarischen – erheblich belasten. Steigende Inflation, hohe Energiepreise und anhaltende Versorgungsunsicherheiten bestätigen diese Einschätzung auch heute noch.
Kontext: Der Europäische Rat und die Ukraine-Frage
Der Brief kommt kurz vor der Sitzung des Europäischen Rates am 6. März 2025, bei der die EU-Staats- und Regierungschefs über die weitere Unterstützung der Ukraine und die Sicherheitslage in Europa beraten werden. Orbán scheint diese Gelegenheit nutzen zu wollen, um seine Agenda für den Frieden auf die Tagesordnung zu setzen. Ungarns Position steht dabei im Kontrast zu anderen EU-Ländern, die wie Frankreich und Deutschland eine stärkere militärische Unterstützung der Ukraine befürworten und vor einem Waffenstillstand ohne klare Friedensvereinbarung warnen, wie es etwa beim Treffen in Paris am 17. Februar 2025 deutlich wurde.
Die ungarische Regierung argumentiert, dass ein sofortiger Waffenstillstand nicht nur humanitäres Leid lindern, sondern auch wirtschaftliche Stabilität in Europa fördern würde. Dies spiegelt sich auch in der Energiepolitik wider: Ungarn bezieht weiterhin Gas aus Russland über die TurkStream-Pipeline, ein Arrangement, das 2022 vereinbart wurde und die Abhängigkeit von russischer Energie unterstreicht.
Setzt eine Friedensverhandlung einen Waffenstillstand voraus?
Grundsätzlich ist ein Waffenstillstand keine zwingende Voraussetzung für Friedensverhandlungen. Verhandlungen können auch während eines laufenden Konflikts beginnen, etwa um die Rahmenbedingungen für eine Deeskalation zu schaffen. In der Praxis jedoch – und besonders im Kontext des Ukraine-Kriegs – wird ein Waffenstillstand oft als erster Schritt angesehen, um die Gewalt zu stoppen und den Parteien Raum für ernsthafte Gespräche zu geben. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán scheint diese Sicht zu teilen, wenn er in seinem Brief an Antonio Costa Friedensverhandlungen mit Russland fordert, da er die sofortige Einstellung der Kampfhandlungen als Mittel zur Linderung humanitären Leids und wirtschaftlicher Schäden betont.
Historische Beispiele zeigen unterschiedliche Ansätze: Während die Dayton-Verhandlungen 1995 (Bosnien-Krieg) erst nach einem Waffenstillstand erfolgreich waren, fanden im Vietnamkrieg Gespräche teilweise parallel zu anhaltenden Kämpfen statt. Im aktuellen Kontext des Ukraine-Konflikts könnten Friedensverhandlungen ohne Waffenstillstand zwar starten, doch warnen viele EU-Staaten vor einem solchen Szenario, da es Russland Zeit zur militärischen Neugruppierung verschaffen könnte.
Reaktionen und Kontroversen
Orbáns Vorstoß ist nicht unumstritten. Kritiker werfen ihm vor, die Interessen der EU und der Ukraine zugunsten einer Annäherung an Russland zu untergraben. Sein gutes Verhältnis zu Putin – etwa durch den umstrittenen Besuch in Moskau im Juli 2024 – wird in Brüssel und anderen Hauptstädten skeptisch beäugt. Befürworter hingegen sehen in Ungarns Haltung einen pragmatischen Ansatz, der die Realitäten eines langwierigen Konflikts anerkennt und auf Deeskalation abzielt.
Die ungarische Regierung bleibt jedoch unnachgiebig. Balázs Orbán der Politische Direktor Viktor Orbáns betonte in seinem Tweet kürzlich:
„Obwohl Ungarn das einzige Land war, das konsequent für Frieden in der EU stand, wollten wir das nicht öffentlich machen. Aber das funktioniert genauso gut.“
Damit wird deutlich, dass Budapest bereit ist, seinen Standpunkt auch gegen Widerstände lautstark zu vertreten.
Ausblick: Ungarns Rolle in der EU
Der Brief und die damit verbundene Botschaft könnten die Spannungen innerhalb der EU weiter verschärfen. Während Ungarn seine Rolle als Vermittler stärken will, stehen andere Mitgliedstaaten vor der Herausforderung, eine gemeinsame Linie zu finden – insbesondere angesichts der angekündigten Verhandlungen zwischen den USA und Russland. Wie sich diese Dynamik auf den EU-Gipfel auswirken wird, bleibt abzuwarten. Fest steht: Ungarn positioniert sich einmal mehr als eigenständiger Akteur welcher aktiv auf Frieden drängt in einer gespaltenen Europäischen Union.
Analyse via inungarn.eu