
Am 4. März 2025 trafen sich Péter Szijjártó, Ungarns Außenminister, und Marco Rubio, der neue US-Außenminister, in Washington – ein Treffen, das nicht nur zeitlich kurz nach der Ankündigung von Präsident Donald Trump fiel, die militärische Unterstützung für die Ukraine auszusetzen, sondern auch inhaltlich eine klare Botschaft trug: Ungarn und die USA könnten unter der neuen Administration an der Schwelle zu einem „neuen goldenen Zeitalter“ ihrer Beziehungen stehen. Doch was bedeutet dieser ambitionierte Begriff konkret, und welche Weichen wurden in diesem Gespräch gestellt?
Friedensrhetorik als verbindendes Element
Der Ukraine-Konflikt stand im Zentrum des Austauschs. Szijjártó lobte die Haltung der Trump-Regierung, den Krieg nicht weiter eskalieren zu lassen, und betonte Ungarns Unterstützung für Friedensverhandlungen. Rubio wiederum soll die Notwendigkeit eines dauerhaften Friedens hervorgehoben haben – eine Position, die sich von der bisherigen Linie der Biden-Administration deutlich abhebt. Beide Seiten einte die Ablehnung von Schuldzuweisungen à la „Wer ist der Aggressor?“ zugunsten pragmatischer Lösungen. Diese gemeinsame Sprache könnte der erste Baustein für eine engere Zusammenarbeit sein – ein Signal, dass sowohl Budapest als auch Washington die „Kriegstreiberei“ der EU – wie Szijjártó es nannte – hinter sich lassen wollen.
Das „goldene Zeitalter“: Eine konkrete Vision mit wirtschaftlichem Schub
Szijjártós Verweis auf ein „neues goldenes Zeitalter“ ist mehr als rhetorischer Schmuck – es ist eine Vision, die politische Entspannung mit handfesten wirtschaftlichen Vorteilen verknüpft. Im Fokus steht die Überwindung von Spannungen der Biden-Ära, etwa durch die Aufhebung von Sanktionen gegen ungarische Politiker wie Rogán Antal oder die Lockerung des Drucks auf das russisch unterstützte Atomkraftprojekt Paks II. Rubio signalisierte Bereitschaft, die Beziehungen auf „Freundschaft und Respekt“ zu gründen – ein Bruch mit der früheren konfrontativen Haltung. Doch die wirtschaftliche Dimension dieser Annäherung ist entscheidend:
Doppelbesteuerung ade: Ungarn ist das einzige EU-Land ohne Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit den USA, ein Zustand, der seit 2014 Unternehmen und Bürger doppelt belastet. Ein neues DBA, wie im Gespräch anvisiert, könnte US-Investitionen anziehen und ungarische Exporte in die USA (derzeit nur 4-5 % des Gesamtexports) steigern.
Trotz Widrigkeiten stark: Bemerkenswert ist, dass Ungarn trotz EU-Geldblockaden (z. B. eingefrorener 10 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds) und der Doppelbesteuerung unter Biden für 2025 ein Wirtschaftswachstum von 2,9 % prognostiziert wird – das höchste in der EU, verglichen mit Deutschlands mageren 0,3 %. Mit den neuen Perspektiven unter Trump könnte Ungarn einen wirtschaftlichen Boost erleben, wie es ihn in seiner modernen Geschichte kaum gab. Experten schätzen, dass ein DBA allein das BIP um 0,5-1 % jährlich heben könnte – kombiniert mit Investitionen könnte das Wachstum die 4 %-Marke überschreiten, selbst wenn der Ukraine-Konflikt anhält.
Investitionsboom: Mit einer Körperschaftssteuer von nur 9 % – die niedrigste in der EU – könnte Ungarn für US-Firmen wie Tesla oder General Electric zum bevorzugten Standort werden. Eine Investition von 1 Milliarde USD könnte dank fehlender Doppelbesteuerung bis zu 20 % mehr Nettorendite bringen. Sollten solche Investitionen fließen, könnte Ungarn andere EU-Länder wirtschaftlich in den Schatten stellen.
Energiesicherheit: Kooperationen bei Gaslieferungen oder Technologietransfer könnten Ungarns Abhängigkeit von Russland verringern und den Forint stärken.
Politische Absolution: Die Einstellung von USAID-Programmen und die Revision von Sanktionen könnten das Vertrauen in Projekte wie Paks II steigern.
Dieses „goldene Zeitalter“ wäre somit ein pragmatisches Bündnis, das Ungarn von einem Sonderfall in der EU zu einem strategischen Partner der USA macht. Ein Wachstum jenseits von 4 % wäre realistisch, wenn US-Kapital und Handelserleichterungen voll greifen – ein Szenario, das selbst bei einem anhaltenden Ukraine-Konflikt die EU-Konkurrenten blass aussehen lassen könnte, da Ungarns Abkehr von der EU-Kriegspolitik und seine Nähe zu Trump Stabilität signalisieren.
Die EU als Kontrahent?
Auffällig war Szijjártós Warnung an Rubio vor einer „Organisierung“ westeuropäischer Staaten innerhalb der EU gegen Trumps Friedenspläne. Mit Blick auf den Pariser Gipfel und die dortige Kriegsrhetorik positioniert sich Ungarn als Gegenpol zur EU – ein Land, das sich mit den USA gegen eine vermeintlich kriegslüsterne Union verbündet. Diese Haltung könnte die Beziehungen zu Brüssel weiter belasten, stärkt aber Ungarns Rolle als Vermittler zwischen Ost und West – eine Position, die unter Trump honoriert werden dürfte.
Chancen und Risiken
Die Annäherung birgt Potenzial: Ungarn gewinnt an internationalem Einfluss, die USA einen loyalen Partner in Europa. Doch sie ist nicht ohne Risiken. Die Abkehr von einer gemeinsamen EU-Linie könnte Ungarn isolieren, während die USA mit ihrer Ukraine-Politik Verbündete wie Deutschland oder Frankreich vor den Kopf stoßen. Zudem bleibt abzuwarten, ob Trumps impulsive Regierungsführung die versprochenen Absprachen tatsächlich umsetzt.
Alles Gold was glänzt?
Das Treffen zwischen Szijjártó und Rubio war mehr als ein diplomatisches Höflichkeitstreffen – es war ein Startschuss für eine strategische Partnerschaft, die auf Friedensrhetorik, wirtschaftlicher Kooperation und gegenseitigem Respekt fußt. Ob dieses „goldene Zeitalter“ tatsächlich anbricht, hängt davon ab, wie konsequent beide Seiten ihre Vision verfolgen. Eines ist jedoch klar: In einer Welt voller Spannungen setzen Ungarn und die USA unter Trump auf eine unkonventionelle Allianz, die die EU vor neue Herausforderungen stellen könnte. Die kommenden Monate werden zeigen, ob aus Worten Taten folgen – und ob Gold tatsächlich glänzt.
Analyse via inungarn.eu