
Am 6. März 2025 gab der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán nach einem außergewöhnlichen EU-Gipfel zur Ukraine bekannt, dass Ungarn eine Volksabstimmung über den möglichen EU-Beitritt der Ukraine abhalten wird. Dabei steht Ungarn allein gegenüber den anderen 26 EU-Mitgliedstaaten, die für eine Fortsetzung der militärischen Unterstützung der Ukraine plädieren.
Hintergrund und Kontext
Die Entscheidung für diese Volksabstimmung fällt inmitten anhaltender Spannungen zwischen Ungarn und der EU. Erst kürzlich hat die Europäische Kommission gegen Ungarn wegen angeblicher Verstöße gegen Gleichberechtigung und Grundrechte Verfahren eingeleitet. Kritiker in Ungarn argumentieren jedoch, dass die EU ideologisch stark linksgerichtet ist, während Ungarn eine zentristisch-konservative Ausrichtung verfolgt. Aus dieser Perspektive fallen Maßnahmen oder Entscheidungen, die nicht mit den ideologischen Prioritäten der EU-Institutionen übereinstimmen, häufig automatisch in den Bereich vermeintlicher Verstöße oder einer Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit – ein Vorwurf, den Ungarn zurückweist und als Ausdruck eines ideologischen Gegensatzes sieht. Orbán betonte, dass verantwortungsvolle Entscheidungen nicht hinter dem Rücken der Bürger getroffen werden können, und dass Ungarn wissen muss, wie viel Belastung die Bevölkerung für die Zukunft der Ukraine bereit ist zu tragen. Er warnte zudem, dass die EU die Kosten für das Überleben und die militärischen Bemühungen der Ukraine nicht tragen könne, insbesondere da die finanzielle Unterstützung aus den USA nicht mehr garantiert sei. Diese Haltung spiegelt Orbáns wiederholte Strategie wider, bei kritischen und extrem implikativen Themen, die das zivile Leben besonders beeinflussen würden – wie etwa Migration, EU-Politik oder jetzt der EU-Beitritt der Ukraine – sein Volk durch Volksabstimmungen entscheiden zu lassen, um politischen Rückhalt zu sichern und die ungarische Souveränität zu betonen. Erfahrungsgemäß macht Ungarn bei solchen Gelegenheiten konsequent von seinem Recht Gebrauch, an Volksabstimmungen, Referenden und Volksbefragungen teilzunehmen, um die Meinung der Bevölkerung zu entscheidenden Fragen einzuholen.
Finanzielle und wirtschaftliche Bedenken
Ein zentraler Punkt in Orbáns Argumentation ist die wirtschaftliche Belastung, die mit der Unterstützung der Ukraine und deren EU-Mitgliedschaft verbunden wäre. Eine Analyse der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2023 schätzt die Wiederaufbaukosten für die Ukraine aufgrund des laufenden Krieges auf über 400 Milliarden Euro. Dies wirft erhebliche Fragen über die finanzielle Tragfähigkeit der EU-Wirtschaften auf, einschließlich des ungarischen Agrarsektors, der laut Orbán durch den EU-Beitritt der Ukraine in Chaos gestürzt werden könnte.
Friedensbemühungen und internationale Positionierung
Orbán betonte, dass Ungarn für Frieden statt für eine Fortsetzung des Krieges eintritt. Er forderte, dass Europa die Friedensverhandlungen von US-Präsident Donald Trump mit Russland voll unterstützen solle. Diese Haltung schließt an Orbáns frühere „Friedensmission 3.0“ im Jahr 2024 an, bei der er als selbsternannter Vermittler Ukraine, Russland und China besuchte – ohne jedoch konkrete Ergebnisse zu erzielen. Kritiker sehen darin einen Versuch, sich international zu positionieren, während er gleichzeitig die EU-Politik blockiert.
Form der Volksabstimmung und Wahrscheinlichkeit eines „Nein“
Die geplante Volksabstimmung unterscheidet sich von einer offiziellen, bindenden Referendum und wird als Meinungsbefragung der Bevölkerung gestaltet, ähnlich den nationalen Konsultationen, die Ungarn in der Vergangenheit durchgeführt hat. Sie dient dazu, die Meinungen und Präferenzen der ungarischen Bevölkerung zu sensiblen Fragen wie dem EU-Beitritt der Ukraine einzuholen und einen Dialog mit den Bürgern zu fördern. Angesichts der jüngsten Erfahrungen und der zunehmenden Frustration in Ungarn über die politische Ausrichtung der EU – die oft als ideologisch linksgerichtet und kriegsversessen wahrgenommen wird, insbesondere in Bezug auf die Unterstützung der Ukraine – gilt es als wahrscheinlich, dass die ungarische Bevölkerung auch in dieser Frage ein klares „Nein“ zur Aufnahme der Ukraine in die EU signalisieren wird. Diese Einschätzung beruht auf der historischen Tendenz der ungarischen Bevölkerung, in solchen Abstimmungen Positionen zu unterstützen, die die nationale Souveränität und eine friedensorientierte Politik betonen.
Spannungen innerhalb der EU
Die isolierte Position Ungarns im EU-Gipfel unterstreicht die anhaltenden Spannungen mit anderen Mitgliedstaaten. Orbán behauptete, dass die EU sich selbst isoliert habe – abgeschnitten von den USA, China durch Handelskriege und Russland durch Sanktionen – während Ungarn nicht isoliert sei. Diese Aussage sowie die Weigerung, militärische Unterstützung für die Ukraine zu unterstützen, haben die Kluft zwischen Ungarn und dem restlichen Europa weiter vertieft.
Lieber Fragen als nur Sagen
Die Volksabstimmung über den EU-Beitritt der Ukraine ist ein weiterer Schritt in Viktor Orbáns Strategie, die ungarische Souveränität zu betonen und die EU-Politik zu hinterfragen. Gleichzeitig wirft sie Fragen über die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Auswirkungen eines solchen Beitritts auf – sowohl für Ungarn als auch für die gesamte EU. Während Orbán Frieden propagiert und sein Volk bei solchen entscheidenden Fragen durch Volksabstimmungen einbezieht, sehen viele Kritiker seine Haltung als politisches Manöver, um innenpolitischen Rückhalt zu sichern und internationale Aufmerksamkeit zu erlangen – Allerdings wer den Dialog sucht führt in der Regel auch kein Diktat.
Analyse via inungarn.eu