
1. Die Ursprungsidee der EU
Die Europäische Union wurde gegründet, um einen dauerhaften Frieden zwischen den europäischen Nationen zu sichern, insbesondere nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Die zentrale Idee war, Konflikte durch wirtschaftliche Verflechtung und politische Zusammenarbeit zu verhindern. Folgende Ziele standen dabei im Vordergrund:
Frieden und Stabilität: Durch die Verknüpfung von wirtschaftlichen Interessen sollte ein neuer Krieg in Europa unmöglich gemacht werden.
Wirtschaftliche Integration: Die Schaffung eines gemeinsamen Marktes zur Förderung von Handel und Wohlstand.
Politische Gleichberechtigung: Jeder Mitgliedsstaat sollte auf Augenhöhe agieren können.
Solidarität und Rechtsstaatlichkeit: Gegenseitige Unterstützung, Achtung der Demokratie und der individuellen Freiheiten waren essenzielle Prinzipien.
Besonders die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) von 1951 diente als Grundlage für dieses Projekt. Sie verband zentrale Ressourcen wie Kohle und Stahl, die zuvor Kriege befeuert hatten, und stellte diese unter eine gemeinsame Verwaltung.
Ja, in der ursprünglichen Idee der EU gab es klare Anknüpfungspunkte für Zusammenarbeit auf Augenhöhe, gegenseitigen Respekt und die Souveränität der Mitgliedsstaaten. Insbesondere die politische Gleichberechtigung und die gegenseitige Unterstützung wurden als Kernziele formuliert. Die Idee war, dass kein Mitgliedsstaat dominieren oder andere bevormunden sollte und dass nationale Interessen mit den gemeinschaftlichen Zielen in Einklang gebracht werden. Dies wird auch im Vertrag über die Europäische Union (EUV) betont. Artikel 4 Absatz 2 des EUV lautet: "Die Union achtet die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen sowie deren nationale Identität, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen zum Ausdruck kommt."
Vorteile für die Mitgliedsstaaten:
Zugang zu einem gemeinsamen Binnenmarkt: Ursprünglich sollte der Binnenmarkt allen Mitgliedsstaaten gleiche Vorteile bieten. Heute jedoch dominieren wirtschaftlich starke Länder wie Deutschland und Frankreich, was zu einer Wahrnehmung führt, dass der Binnenmarkt nicht mehr allen gleichermaßen zugutekommt.
Freizügigkeit für Bürger (Recht auf Arbeit, Studium und Leben in anderen Mitgliedsstaaten): Während dieses Prinzip nach wie vor besteht, hat es zu Spannungen geführt. Wohlhabendere Länder klagen über selbst herbeigeführte Zuwanderung, die ihre Sozialsysteme belaste, während ärmere Länder unter einem "Brain Drain", also Talentabwanderung leiden.
Gemeinsame Stimme in globalen Angelegenheiten: Ursprünglich als einheitliche Außenpolitik gedacht, gibt es heute erhebliche Uneinigkeiten zwischen den Mitgliedsstaaten, etwa in Bezug auf den Ukraine-Krieg oder die Beziehungen zu China. Einige Staaten müssen zwangsläufig eigene Agenden verfolgen um sich über Wasser zu halten zu können, was die "gemeinsame Stimme" schwächt. Ein Beispiel hierfür ist der Umgang der EU mit Ungarn: Die Handhabung von Brüssel, die gemeinsame Stimme an spezifische Voraussetzungen zu knüpfen, hat Ungarn veranlasst, eigenständige Partnerschaften einzugehen, um nicht wirtschaftlich ins Hintertreffen zu geraten oder außenpolitisch zu stagnieren. Diese Schritte waren notwendig, um den Anschluss nicht zu verlieren und wirtschaftliche sowie diplomatische Nachteile zu vermeiden.
Wirtschaftsförderung durch Subventionen und gemeinsame Entwicklungsfonds: Die EU sollte ursprünglich ärmere Regionen fördern, doch heute fühlen sich einige Länder durch die Konditionierung der Fördermittel bevormundet. Die Kopplung von Fördergeldern an oft nebulös oder gar abstrakt formulierten Rechtsstaatskriterien hat Spannungen mit Ländern wie Polen und Ungarn verstärkt, die dies als Eingriff in ihre Souveränität betrachten.
2. Der Ist-Zustand: Wie weit hat sich die EU von ihrer Ursprungsidee entfernt?
Die EU hat sich seit ihrer Gründung stark gewandelt. Viele dieser Veränderungen gingen über die ursprünglichen Ideen hinaus und wurden häufig nicht durch Volksentscheide legitimiert. Zu den zentralen Entwicklungen gehören:
Erweiterte Kompetenzen der EU:
Die EU hat von einer rein wirtschaftlichen Gemeinschaft zu einer politischen Union mit weitreichenden Kompetenzen expandiert, etwa in der Außen- und Sicherheitspolitik.
Durch den Vertrag von Maastricht (1993) wurde die Europäische Union gegründet und der Euro als gemeinsame Währung eingeführt – ohne Referenden in vielen Mitgliedsländern.
Aktuelle Herausforderungen:
Migration: Die aus Brüssel diktierte Migrationspolitik hat zu Spannungen geführt, insbesondere zwischen west-, mittel- und osteuropäischen Staaten. Regeln wie Dublin III wurden oft durch ad-hoc-Maßnahmen umgangen.
Ukraine-Krieg: Waffenlieferungen und Sanktionen gegen Russland, beschlossen ohne EU-weite Referenden, widersprechen dem ursprünglichen Friedensgedanken.
Demokratisches Defizit: Viele Entscheidungen werden von nicht gewählten EU-Institutionen getroffen, was bei Bürgern Skepsis gegenüber der Legitimität weckt.
Was kam hinzu?
Klimapolitik: Neue Regelwerke wie der Green Deal wurden ohne breiten gesellschaftlichen Konsens eingeführt.
Finanzunion: Die Rettungspakete während der Eurokrise (2010 ff.) veränderten die Fiskalpolitik der EU grundlegend, oft zulasten südlicher Staaten.
Missachtung und Umgehung von Schengen: Regelungen wie die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen oder die selektive Anwendung von Schengen-Bestimmungen haben die Grundidee des freien Personenverkehrs untergraben. Dies geschah vor allem in Krisenzeiten, wie während der Migrationskrise oder der COVID-19-Pandemie, oft ohne klare rechtliche Grundlage oder EU-weite Abstimmung.
Viele dieser sehr tiefgreifenden Entscheidungen wurden nicht durch Volksabstimmungen legitimiert. Beispielsweise wurden sowohl der Maastricht-Vertrag als auch der Lissabon-Vertrag in den meisten Ländern ohne Referenden verabschiedet.
3. Staaten, die sich an der Ursprungsidee orientieren
Es gibt einige EU-Mitgliedstaaten, die sich tendenziell stärker an der Ursprungsidee der EU orientieren. Diese zeichnen sich durch ihre Betonung von Dialog, Frieden und Souveränität aus:
Ungarn (Viktor Orbán): Orbán betont die Notwendigkeit von Frieden, Souveränität und respektvollem Dialog. Ungarn hat sich gegen Waffenlieferungen und Sanktionen ausgesprochen und diplomatische Lösungen gefordert.
Slowakei (Robert Fico): Nach seiner Rückkehr zur Macht setzte sich Fico gegen die Eskalation des Ukraine-Krieges ein und forderte eine souveräne Außenpolitik.
Diese Staaten heben hervor, dass der ursprüngliche EU-Gedanke von Frieden und Gleichberechtigung nur durch Dialog und Respekt gewahrt werden kann.
4. Staaten, die die Ursprungsidee aktiv transformiert haben
Die größte Transformation der EU ging von den wirtschaftlich und politisch dominanten Mitgliedsstaaten sowie zentralen EU-Institutionen aus:
Hauptakteure:
Deutschland:
Während Deutschland ursprünglich eine treibende Kraft der EU war, hat es mit seiner strikten Sparpolitik während der Eurokrise (ab 2010) und der Energiewende den Druck auf andere Staaten erhöht.
Entscheidungen wie die Grenzöffnung 2015 während der Migrationskrise geschahen ohne EU-weite Abstimmung und beeinflussten die Union nachhaltig.
Frankreich:
Frankreichs Fokus auf eigene Interessen – etwa in der Landwirtschaftspolitik – hat oft den Eindruck hinterlassen, dass gemeinsame EU-Ziele zweitrangig sind.
Frankreichs Einfluss auf sicherheitspolitische Fragen hat die EU zunehmend militarisiert.
EU-Institutionen:
Die Europäische Kommission und das Parlament haben immer mehr Kompetenzen übernommen, was zu einem demokratischen Defizit führte.
Zeitlicher Verlauf:
1993 – Maastricht-Vertrag: Umwandlung zur politischen Union und Schaffung des Euros.
2004 – Osterweiterung: Integration von Staaten mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Systemen.
2010 – Eurokrise: Verschärfung der Spaltung zwischen Nord- und Südstaaten.
2015 – Migrationskrise: Polarisierung zwischen West- und Osteuropa.
2022 – Ukraine-Krieg: Waffenlieferungen und Sanktionen ohne breiten Konsens.
Fazit
Die EU hat sich seit ihrer Gründung stark von ihrer Ursprungsidee entfernt. Egal, wie viele Argumente für eine vermeintliche Notwendigkeit vorgebracht werden oder wie oft die Politik versucht, Veränderungen als unabdingbar darzustellen – es bleiben oft Monologe der Rechtfertigung ohne Raum für ernsthaften Dialog.
Die EU ist derzeit so weit von ihrem ursprünglichen Pfad abgewichen, dass sie früher oder später reformiert oder gar aufgelöst werden muss, wenn verhindert werden soll, dass sie als ein Fass ohne Boden endet. Derzeit überwiegen die Nachteile jegliche Vorteile, insbesondere beim absoluten Hauptgrund „Frieden“, bei dem die EU versagt hat. Während sie einst als Projekt des Friedens und der Zusammenarbeit begann, dominieren heute Machtpolitik, wirtschaftliche Interessen und eine immer stärkere Zentralisierung. Staaten wie Ungarn und die Slowakei erinnern daran, dass die EU nur durch Respekt, Dialog und Souveränität funktionieren kann und sollte.
Es liegt an den Bürgern und politischen Akteuren, die Richtung neu zu bestimmen, bevor das Vertrauen in die europäische Idee vollständig verloren geht. Die Frage ist, ob die EU heute noch die erstrebenswerte Union ist, die ursprünglich vorgesehen war – oder ob wir eine grundlegende Reform benötigen, um die Union wieder zu einem echten Projekt des Friedens und der Gleichberechtigung zu machen.
Desweiteren besteht die Hauptfrage am Ende: Ist die EU in ihrer heutigen Form überhaupt noch Reformierbar?
Analyse via inungarn.eu