Das heutige Treffen zwischen Viktor Orbán und Alice Weidel in Budapest hat für Aufsehen gesorgt. Während viele politische Beobachter in Europa noch mit der Tatsache ringen, dass Donald Trump erneut als US-Präsident im Amt ist, scheint der ungarische Ministerpräsident bereits strategische Weichenstellungen vorzunehmen.

Seine Analyse der geopolitischen Lage ist klar: Die EU als Institution hat keine echte politische Führung und kann daher in den Verhandlungen mit den USA kaum als ernstzunehmender Akteur auftreten.
Die fehlende europäische Führung in der neuen Weltordnung
Laut Orbán ist es ein Fehler, darauf zu warten, dass Trump Europa großzügige Angebote macht. Trump sei, so Orbán, in erster Linie der Präsident der Vereinigten Staaten und werde die Interessen seines Landes verfolgen, nicht die von Ungarn oder Deutschland. Wenn Europa Einfluss nehmen wolle, müsse es eigene Vorschläge entwickeln und diese aktiv in Verhandlungen einbringen. Hier sieht Orbán jedoch ein grundlegendes Problem: Die EU verfügt über keine politische Führung, sondern lediglich über eine schwerfällige bürokratische Struktur.
Das hat direkte Auswirkungen auf die transatlantischen Beziehungen. In den Augen der USA gibt es in Europa keinen einheitlichen Ansprechpartner. Stattdessen sind es vor allem Frankreich und Deutschland, die als primäre Verhandlungspartner in Erscheinung treten. Doch gerade diese beiden Länder haben sich in der Vergangenheit nicht als Trump-freundlich erwiesen. Ihre über Jahre hinweg betriebene Distanzierung vom früheren und jetzigen US-Präsidenten macht sie nun zu denkbar schlechten Vermittlern für europäische Interessen.
Ungarns neue Rolle als Brückenbauer?
Orbáns diplomatisches Kalkül ist offensichtlich: Er will Ungarn als Brückenbauer zwischen den USA und Europa positionieren. Während Deutschland und Frankreich sich schwer damit tun, einen konstruktiven Dialog mit Trump zu führen, könnte Budapest eine neue strategische Rolle einnehmen. Die Einladung an Alice Weidel zeigt, dass Orbán nicht nur in Washington, sondern auch in Berlin Einfluss gewinnen will – jedoch nicht auf Regierungsebene, sondern durch die Stärkung derjenigen Kräfte, die einen anderen, weniger EU-zentrierten Kurs verfolgen.
Diese Strategie ist nicht ungefährlich. Die EU wird sich gegen Versuche wehren, ihre innen- und außenpolitische Geschlossenheit zu untergraben. Doch genau hier liegt der springende Punkt: Ist die EU überhaupt noch ein zusammenhängender Block, oder sind es mittlerweile einzelne Nationalstaaten, die die politische Agenda bestimmen? Orbán scheint die Antwort darauf bereits gefunden zu haben – und er handelt entsprechend.
Die Haltung zu Weidel und der AfD
Orbán betonte in diesem Zusammenhang, dass ein Wahlsieg der AfD Ungarn zugutekommen würde. Das Programm und die gesamte Linie der Partei seien mit ungarischen Interessen weitgehend kompatibel. Besonders in Fragen der nationalen Souveränität und der Migration gibt es deutliche Schnittmengen.
Im Hinblick auf die EU gab es jedoch eine Differenz zwischen Weidel und Orbán. Während Weidel die EU als grundsätzlich reformierbar ansieht und eine tiefgreifende Umgestaltung befürwortet, zeigte sich Orbán in dieser Frage radikaler. Zwar lehnte er die Idee einer Reform nicht grundsätzlich ab, doch er deutete an, dass er wohl eine vollkommen neue europäische Struktur möglicherweise für sinnvoller halte, anstatt die bestehende, aus seiner Sicht derzeit irreversibel verfilzte EU zu reformieren. Diese Differenz in der EU-Frage zeigt, dass es trotz politischer Annäherung auch kleine Unterschiede zwischen den Positionen der AfD und der ungarischen Regierung gibt.
Orbáns Eröffnung der Pressekonferenz
Eingangs der Pressekonferenz, zu der zahlreiche Medienvertreter angereist waren, machte Orbán eine bemerkenswerte Feststellung: Es sei keineswegs üblich, dass die AfD bei Regierungen zu Pressekonferenzen eingeladen werde. Dennoch wolle er mit dieser Tradition brechen und als Erster den Anfang machen.
Zusätzlich wies er darauf hin, dass schätzungsweise 20 % der deutschen Wähler die AfD unterstützen – eine Zahl, die etwa dem Eineinhalbfachen der ungarischen Bevölkerung entspricht. Vor diesem Hintergrund sei es nur recht und legitim, mit einem Volksvertreter in den Dialog zu treten, dessen Partei eine so erhebliche Wählerschaft repräsentiert.
Die geopolitische Zeitenwende
Mit der Rückkehr Trumps ins Weiße Haus hat sich die globale Ordnung erneut verschoben. Orbán versteht, dass eine EU ohne klare politische Führung in dieser neuen Realität keinen strategischen Einfluss haben wird. Sein Treffen mit Weidel ist ein weiteres Signal dafür, dass er bereit ist, neue Allianzen zu schmieden – sowohl innerhalb Europas als auch über den Atlantik hinweg. Ob diese Strategie Ungarn langfristig Vorteile bringen wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass Orbán, während andere noch abwarten, bereits an seiner eigenen geopolitischen Zukunft arbeitet.
Analyse via inungarn.eu